Sein Erwachen ist wie das Auftauchen aus einer zähen Flüssigkeit. Ein Teil seines Selbst will an die Oberfläche, ein Teil möchte noch im Dunkeln des Vergessens verweilen, das der Schlaf ihm schenkte.
Der aufstrebende Teil gewinnt, angetrieben durch die Reaktionen seines Körpers auf den Entzug – den Entzug seiner Droge.
Er blickt auf die Uhr – fast zwölf Stunden hat er geschlafen. Ja – da sieht man wieder einmal, wie ein guter Schuss das Leben beruhigt. Apropos guter Schuss.
Er dreht sich nach und greift auf den Stuhl, der neben seinem Bett steht und sucht. Doch seine Hand greift ins Leere. Erschrocken setzt er sich auf. Sofort beginnt sich das Zimmer um ihn zu drehen. Blitze zucken durch sein Blickfeld und in seinen Ohren rauscht es.
Aber da muss doch noch etwas sein! Er hat extra noch etwas aufgehoben damit er gleich nach dem Aufwachen seinen Spiegel wieder hoch pushen kann.
Sein Blick fällt auf die Zimmertür. Sie steht einen Spalt offen.
Verflucht sollen sie sein! Die Kinder hatten ihn beobachtet als er nach Hause kam. Sie hatten ihn gefragt, was er da in dem kleinen Säckchen habe. Er hat ihnen nicht geantwortet und sie mit einer Handbewegung weg gescheucht. Aber er hat diese Bewegung mit jener Hand gemacht, in welcher er die kostbare Fracht getragen hat. Und da sind ein, zwei Portionen davon heraus geflutscht und auf den Boden gefallen.
Er istsofort mit dem Fuß drauf getreten, konnte aber nicht verhindern, dass die Kleinen die weißen Tütchen sehen.
Für ihn istklar: Sie habenwährend seines Schlafes die Tür aufgebrochen und seine eiserne Reserve gestohlen.
Er wird sofort aufstehen und sich die Knilche vorknöpfen. Vielleicht haben sie ja noch nicht alles verbraucht.
Wut und Zorn kochen in ihm hoch. Doch als er sich nun von der Matratze wälzen will und es ihm erst nach dem dritten Mal gelingt, die Beine so weit aus dem Bett zu schwingen, dass er sie auf den kalten Boden stellen kann, schlagen diese Gefühle in Verzweiflung um.
Er macht sich keine Illusionen: Wenn die Kids den Stoff nicht selbst genommen haben dann haben sie ihn schon längst eingetauscht.
Sie gehören bereits einer Generation an, die nicht mehr mit diesem Stoff groß geworden ist. Während ihres Aufwachsens hatte die UNO bereits ausreichend Maßnahmen ergriffen, der es den Produzenten des Stoffs und seiner weiterverarbeiteten Produkte unmöglich machte, sich den nächsten Jahrgang Süchtiger heran zu ziehen.
Für ihn war es damals schon zu spät gewesen. Und so weit war er bis jetzt noch nicht gewesen, dass er freiwillig einen Entzug machen würde.
Resignierend legt er sein Gesicht in die Hände.
Vielleicht war jetzt doch auch für ihn der Zeitpunkt gekommen, seine Sucht zu bekämpfen. Bis zur nächsten Zuteilung des Stoffs würde er ohnehin schon arge Entzugserscheinungen bekommen. Er ist jetzt schon nicht mehr fähig, sich zu überlegen, wie er realistischerweise an Stoff kommt.
Als er sich zurücklegt und die Hände hinter seinem Kopf unter das Kopfkissen schiebt stoßen seine Finger an einen kleinen Gegenstand.
Ruckartig setzt er sich auf und schleudert den Polster auf den Boden. Da sind sie ja – fein säuberlich aufgereiht. Seine fünf aufgehobenen Portionen – sein Stoff, seine Rettung!
Fünf kleine Tüten mit ZUCKER!